Mittwoch, 27. Januar 2010

Sonntag, 30. Dezember 2007

Die Geldwirklichkeit existiert allein in den Büchern der Banken

oder

Was wir aus dem Monatsbericht der Bundesbank herauslesen können

Ernst Dorfner


Mit dem Erscheinen des Heftes 147 der Zeitschrift für Sozialökonomie ist neuerdings ein heftiger Diskurs über die Fähigkeit der Geldschöpfung der Geschäftsbanken losgetreten worden. Während Christopher Mensching diese Fähigkeit bejaht und generell die These der Entstehung des Geldes aus Krediten vertritt, bestreitet Helmut Creutz dies nach wie vor heftigst. Die Fähigkeit der Geldschöpfung hätte demnach nur die Bundesbank, und die Bereitstellung von Buchgeld setze den Einsatz von Bargeld voraus. Zudem sieht er keine Notwendigkeit, zusätzliches Geld zu schöpfen, denn die Einlagen des Bankenpublikums (Nicht-Banken) bei den Geschäftsbanken wären stets höher als die von den Geschäftsbanken vergebenen Kredite. Die von ihm geführte Beweise bauen dabei auf Ziffern aus dem Monatsberichten der Deutschen Bundesbank auf, wo er aus Übersicht IV einen Überschuss der Einlagen bei den Banken über den von ihnen vergebenen Krediten „herausliest“.

Was nun aber aus dem Gesamtzusammenhang -ohne Herauslese - heraus gelesen werden kann, wird im Weiteren versucht darzustellen.

.A propos “Geldwirklichkeit“: Was meine Frau und ich an Geld haben, das in unseren Geldbörsen und Kassetten zu suchen, führt in die Irre. Es findet sich vielmehr in den Büchern „unserer“ Bank. Wir vertrauen der Bank, darüber Buch zu führen, was wir an Geld besitzen. Für alle Kunden der Bank findet sich das dann zusammengefasst in deren Bankbilanz. Und alle Bankbilanzen zusammengefasst –„ konsolidiert“ – , finden sich in Übersicht IV der Monatsberichte der Bundesbank - oder der Österreichischen Nationalbank. Was wir also alle zusammen an Geld besitzen, und was wir an Schulden (gegenüber den Banken) haben, das findet sich in den Büchern. Damit aber wird das, worüber wir keinen Überblick mehr haben, wo „viel“ in den vielen Nullen verschwimmt, auf einmal greifbar. Und:
Wir können dann von der Wirklichkeit reden.
Nun kann man sicher allerlei gegen diese Wirklichkeit einwenden – eines jedoch nicht: dass diese Wirklichkeit wirkt. Und wir wissen müssen, wie sie wirkt, wenn wir diese Wirklichkeit ändern wollen.


Grundlage unserer Betrachtungen ist der Monatsbericht der Deutschen Bundesbank (hier für Dezember 2005), und dort die

1. Übersicht II, Bankstatistische Gesamtrechnung in der Europäischen Währungsunion, 2. Konsolidierte Bilanz der Monetären Finanzinstitutionen (MFIs), wobei hier lt. Fußnote * dazuzählen: die Banken einschließlich Bausparkassen, Geldmarktfonds sowie die Europäische Zentralbank und Zentralnotenbanken.
Übersicht II entsteht aus der Konsolidierung von Übersicht III und IV, somit des gesamten Bankensystem einschl. Bundesbank
Wir betrachten hier nur die Ziffern für den Deutschen Beitrag, da wir nur diese mit den Ziffern von Übersicht IV vergleichen können.

2. Übersicht III, Konsolidierter Ausweis des Eurosystems
Übersicht III zeigt die Ziffern der Bundesbank allein

3. Übersicht IV, Banken, 1. Aktiva und Passiva der Monetären Finanzinstitutionen (ohne Deutsche Bundesbank) in Deutschland.
Übersicht IV zeigt die Ziffern der Geschäftsbanken allein – dabei sowohl die Ziffern für die Beziehungen der Banken untereinander, als auch die zwischen Banken und Nicht-Banken.

Wir sehen im:
Tabellenkopf von Übersicht II, Aktiva: Dort finden wir zusammengefasst:
· Kredite
· Aktiva gegenüber dem Nicht-Euro-Währungsgebiet (NEWg)
· sonstige Aktivposten

Tabellenkopf von Übersicht II, Passiva: Dort finden wir zusammengefasst:
· Bargeldumlauf,
· Einlagen von Nichtbanken (Nicht.MFIs) im EWg
· Repogeschäfte mit Nichtbanken im EWg
· Geldmarktfondsanteile
· Begebbare Schuldverschreibungen
· Verbindlichkeiten gegenüber dem NEWg
· Kapital und Rücklagen
· Überschuss der der Inter-MFI-Verbindlichkeiten
· Sonstige Passivpositionen
(Teil „Nachrichtlich“ gehört nicht mehr dazu)

***
Tabellenkopf von Übersicht III, Aktiva: Dort finden wir zusammengefasst:
· Aktiva insgesamt
· Gold und Goldforderungen
· Forderungen in Fremdwährung an Ansässige außerhalb des EWg
· Forderungen in Fremdwährung an Ansässige im EWg
· Forderungen in Euro an Ansässige außerhalb des EWg
· Forderungen aus geldpolitischen Operationen in Euro an Kreditsinstitute des EWg
· Forderungen in Euro an Kreditinstitute des EWg
· Wertpapiere in Euro von Ansässigen im EWg
· Forderungen an öffentliche Haushalte
· Sonstige Aktiva

Tabellenkopf von Übersicht III, Passiva: Dort finden wir zusammengefasst:
· Passiva insgesamt
· Banknotenumlauf
· Verbindlichkeiten in Euro aus geldpolitischen Operationen in Euro gegenüber Kreditinstituten des EWg
· Sonstige Verbindlichkeiten in Euro gegenüber Kreditsinstituten des EWg
· Verbindlichkeiten aus der Begebung von Schuldverschreibungen
· Verbindlichkeiten in Euro gegenüber Ansässigen im EWg
· Verbindlichkeiten in Euro gegenüber Ansässigen außerhalb des EWg
· Verbindlichkeiten in Fremdwährung gegenüber Ansässigen im EWg
· Ausgleichsposten für zugeteilte Sonderziehungsrtechte
· Sonstige Passiva
· Intra-Eurosystem-Verbindlichkeiten aus der Begebung von Euro Banknoten
· Neubewertungskonten
· Grundkapital und Rücklage

***
Tabellenkopf von Übersicht IV, Aktiva: Dort finden wir zusammengefasst:
· Kassenbestand
· Kredite an Banken (Nicht-MFIs) im Euro-Währungsgebiet (EWg)
· Kredite an Nichtbanken im EWg
· Aktiva gegen NEWg
· Sonstige Aktivposten

Tabellenkopf von Übersicht IV, Passiva: Dort finden wir zusammengefasst:
· Einlagen von Banken im EWg
· Einlagen von Nichtbanken im EWg
· Verbindlichkeiten aus Repogeschäften mit Nichtbanken im EWg
· Geldmarktfondsanteile
· Begebbare Schuldverschreibungen
· Passiva gegenüber dem NEWg
· Kapital und Rücklagen
· Sonstige Aktiva

***
Halten wir vorweg fest: Wir beschäftigen uns hier mit

Bilanzen, also mit Gegenüberstellungen von Vermögen und Schulden der Banken,
wobei
· Kredite = Forderungen der Banken = Vermögen der Banken = Schulden der Nicht-Banken
· Einlagen = Verbindlichkeiten der Banken = Schulden der Banken = Guthaben der Nicht-Banken plus Bargeldumlauf = Geldvermögen der Nicht-Banken
Der Begriff „Einlagen“ ist irreführend. Es sind damit nicht Spareinlagen oder ähnliches zu sehen. Auch die Bundesbank verbucht Einlagen, obwohl sie keine Spargelder entgegennimmt und – nehmen darf.

Wir beschäftigen uns hier jedoch nicht mit der Verbuchungen von Eingängen und Ausgängen von Geld in/aus den Kassen der Banken, so wie es die herkömmliche Vorstellung des Kredites als Einsammeln und Verleihen von Geld vermitteln will.

***
Wenn es nun um Bargeld (Zentralbankgeld) in der Analyse unseres Geldsystems geht, so sehen wir, dass Bargeld in den drei Übersichten nur drei Mal vorkommt:
a. Übersicht II: Bargeldumlauf
b. Übersicht III: Banknotenumlauf
c. Übersicht IV: Kassenbestand

Dabei fällt entscheidend auf:
· In Übersicht 2 erscheint Bargeld auf der Passivseite als „Bargeldumlauf“
Bargeldumlauf 12/04: 125,9 Mrd. Euro

· In Übersicht III erscheint Bargeld auf der Passivseite als „Banknotenumlauf“
Banknotenumlauf 12/04: 136,3 Mrd. Euro

· In Übersicht IV erscheint Bargeld auf der Aktivseite als „Kassenbestand“
Kassenbestand 12/04: 15,1 Mrd. Euro


Die Differenz zwischen der Summe von 125,9 + 15,1 = 141,0 Mrd. Euro und dem Banknotenumlauf von 136,3 Mrd. Euro = 4,7 Mrd. Euro ist im Umlauf von Münzgeld (3,3%) zu suchen.

· Der guten Ordnung halber halten wir in Übersicht III auf der Passivaseite noch die Verbindlichkeiten in Euro aus geldpolitischen Operationen in Euro gegenüber Kreditinstituten des EWg in Höhe von 41,3 Mrd. Euro fest,
die nahezu zur Gänze aus Einlagen auf Girokonten der Bundesbank (einschl, Mindestreserveguthaben) bestehen. Es sind jene Zentralbankgeld-Guthaben, die zur Abwicklung der Buchgeldüberweisungen zwischen den einzelnen Banken erforderlich sind. Sie sind nach Außen hin nicht von Belang.

***
Nach Übersicht II betragen die gesamten Aktiva = gesamte Passiva 4511,9 Mrd. Euro (12/ 04),
der Bargeldumlauf mit 125,9 Mrd. Euro beträgt daran 2,8 Prozent.

Übersicht II kommt durch Konsolidierung von Übersicht III und IV zustande.

Die Integration der Bundesbank in das Gesamtsystem nach Übersicht II ist von entscheidender Bedeutung für die Interpretation dieser Bilanz

Halten wir daher vorweg fest:

· Die Bundesbank steht offensichtlich nicht über den Geschäftsbanken und bestimmt so– entgegen einer weitverbreiteten Meinung -- nicht, was insgesamt an Geldmenge vorhanden ist, während sich
· die Geschäftsbanken sich nicht nur mit einem Teil dieser Geldmenge beschäftigen, nämlich jenem Teil, der nicht direkt von den jeweiligen Geldbesitzern zu Käufen verwendet wird.

Der Bargeldumlauf ist so wie das Buchgeld auf der Passivseite verbucht und somit wie letzteres eine Verbindlichkeit des Gesamtsystems, wobei das Bargeld der Bundesbank zugeordnet ist. Bis auf die geringe Kassenhaltung der Banken (s. Übersicht IV) ist das ganze Notenbankgeld (Bargeld) hier enthalten.

Bargeld wie Buchgeld sind Schulden des Bankensystems

Damit aber wird deutlich, dass Bargeld und Buchgeld (täglich fällige Guthaben) hier gleichwertig nebeneinander stehen.

***
Übersicht II ist eine ohne Betrachtung innerer Gläubiger/Schuldnerverhältnisse zwischen den einzelnen Geschäftsbanken und dieser mit der Bundesbank.

Übersicht II zeigt somit die nach Außen wirkenden Beziehungen der Banken (MFIs) einschließlich Bundesbank gegenüber den Nichtbanken (Nicht-MFIs), also das, was die Nichtbanken an Geldvermögen und Geldschulden haben.

Übersicht II ist somit keine mehr oder weniger gute Abbildung der Wirklichkeit,
sondern die Wirklichkeit selbst, die als Ganzes nur in den Büchern existiert.

Verkürzt gesagt:
Es gibt nur das Geld, welches in Übersicht II enthalten ist.

Außerhalb des Systems, welches Übersicht II zeigt, gibt es somit kein Geld.
Es gibt kein Outside-money
Alles Geld ist Inside-money

Übersicht II ist die entscheidende Übersicht, mit Übersicht III und IV wird das Zutreffen der aus Übersicht II gewonnenen Erkenntnisse nur bestätigt

***
Das Vorhandensein von Outside money würde sich daran zeigen, dass die Bilanz der Bundesbank und die konsolidierte Bilanz der Geschäftsbanken nicht konsolidiert werden können, weil die Bilanz der Bundesbank bereits das ganze Geld – Bargeld und Buchgeld der Bundesbank – auf der Passivseite zeigen würde. Diesem müssten dann dem entsprechende Direkt-Kredite an Nicht-Banken auf der Aktivseite gegenüberstehen. Die Bundesbank müsste also etwas machen, was ihr streng untersagt ist. Dann – und nur dann – könnten die Geschäftsbanken – so wie Creutz meint- auch nur so viel an Krediten (richtiger: Darlehen) vergeben, wie sie „von außen“ an Spareinlagen („erübrigtes Geld“) erhalten. Wobei die Kreditsumme kleiner bzw. gleich sein muss als/wie die Einlagensumme. Die Aktivseite der Bilanz der Geschäftsbanken müsste somit stets einen mehr oder minder großen Überschuss an Bargeld und Buchgeld der Bundesbank aufweisen, welcher die Kredite auf der Aktivseite mit den Spareinlagen auf der Aktivseite zumindest ausgleicht.

Tatsächlich findet sich nun in Übersicht IV auf der Aktivseite ein Kassenbestand an Bargeld in Höhe von bis zu 15,1 Mrd. Euro. Bei einer Bilanzsumme von etwa 6.600 Mrd. Euro sind das längerfristig immer um die 0,2 Prozent der Gesamtaktiva in Höhe von rd. 6.600 Mrd. Euro.
Diesen Kassenbestand aber als den obgenannten Differenzbetrag zwischen Einlagen und vergebenen Krediten zu deuten, scheint m. M. nach schon zahlenmäßig nicht angebracht. Dieser Kassenbestand muss ja allein schon als Puffer für die täglichen Auszahlungen an Bargeld vorhanden sein, da dieses nur von der Bundesbank bereitgestellt werden kann. .

Auch für eine vermeintlich erforderliche Hinterlegung mit der Buchgeldmenge (täglich fällige Guthaben 12/04 : 646,2 + 8,8 = 655,0 Mrd. Euro) mit Bargeld – wie etwa in der sgn. „multiplen Geldschöpfung“ - ist offensichtlich dieser Kassenbestand mit 2,3 Prozent kaum ausreichend.
.
***
Den Bargeld-Puffer möglichst klein zu halten sind die Geschäftsbanken bemüht, weil er ja mit den Zinskosten in Höhe des Diskontsatzes der Bundesbank belastet ist.

***
Da
· Schulden sich nur in einer Beziehung darstellen lassen, nämlich der zwischen Schuldner und Gläubiger,
· Geld aber den Schulden auf gleicher Ebene gegenübersteht,
· muss sich auch Geld in einer Beziehung darstellen, und nicht in einem Ding.

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Geldvermögen der Nichtbanken = Bargeldumlauf + täglich fällige Guthaben (Buchgeld) + gebundene Guthaben = Kredite = Geldschulden der Nichtbanken.

Damit können wir festhalten:
Ohne Kredite kein Geldvermögen.
Oder anders herum gesagt:
Es gibt nur so viel Geldvermögen, wie es Kredite gibt.

Damit aber kommen wir zu einer wichtigen Erkenntnis:

Wenn gilt:
Bargeld + Buchgeld + gebundene Guthaben („Spargeld“) = Geldvermögen = Kredite,

dann bedingt ohne Veränderung der rechten Seite (der Höhe der Kredite):
· eine Einzahlung von Bargeld auf ein Buchgeldkonto eine Erhöhung der Buchgeldmenge und vice versa Reduzierung der umlaufenden Bargeldmenge, d.h. eine Schöpfung von Buchgeld bzw. vice versa Vernichtung von Bargeld;
· eine Auszahlung von Bargeld aus einem Buchgeldkonto eine Vernichtung von Buchgeld bzw. vice versa Schöpfung von Bargeld;
· eine Einzahlung von Bargeld auf ein Sparkonto eine Schöpfung von Spargeld bzw. vice versa Vernichtung von Bargeld;
· eine Auszahlung von Bargeld aus einem Sparkonto eine Vernichtung von Spargeld bzw. vice versa Schöpfung von Bargeld;
· eine Einzahlung von Buchgeld auf ein Sparkonto eine Schöpfung von Spargeld bzw. vice versa Vernichtung von Buchgeld;
· eine Auszahlung von Buchgeld aus einem Sparkonto eine Vernichtung von Spargeld bzw. vice versa Schöpfung von Buchgeld;

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Aus Obigen ergibt sich auch: Durch das Einzahlen von Spargeld auf Sparkonten ändert sich - - entgegen einer weitverbreiteten Meinung .- nichts am Geldvermögen der Nicht-Banken.
Sparen vermehrt nicht das Geldvermögen.

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Den Geschäftsbanken ist die Schöpfung und Vernichtung von Bargeld nicht möglich. Dies ist der Bundesbank vorbehalten. Da aber die oben beschriebenen Vorgänge alle im Bereich der Geschäftsbanken vor sich gehen – Bargeld also von den Geschäftsbanken nur durchgereicht wird - , müssen die Geschäftsbanken einen Puffervorrat an Bargeld halten. Dieser beträgt für Dezember 2004 15,1 Mrd. Euro oder 2,3% der Buchgeldmenge.

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In Übersicht II als auch in IV erkennt man, wie langfristig die gesamte Geldmenge wächst, wiewohl sie auch zwischenzeitlich fallen kann. Es geht also sowohl um die Schöpfung wie auch um die Vernichtung von Geld.

Damit kommen wir zur Frage – salopp formuliert --, woher das Geld kommt, das für die Erhöhung der gesamten Geldmenge erforderlich ist, bzw. wohin es verschwindet.

Richtiger ist es allerdings zu fragen, wie denn Geld entsteht und wie es vergeht, also wie es geschöpft und wie es vernichtet wird.

***
Übersicht II zeigt:
Geld als Teil des Geldvermögens ist eine Verbindlichkeit des Bankensystem, welcher Forderungen des Bankensystems in Form von Krediten gegenüberstehen.

Rückzahlung eines Kredites mit Geld bedeutet damit, dass eine an das Bankensystem übereignete Verbindlichkeit einer eigenen Forderung gegenübersteht. Sie heben sich gegenseitig auf.
Kredit wie Geld verschwinden durch Kreditrückzahlung.

***
Wenn wir zudem uns der Erkenntnis erinnern, der gemäß es nur
so viel Geldvermögen geben kann, wie es Kredite gibt,
die ganze Geldwirklichkeit sich (nur) in den Büchern des Bankensystems findet, somit die
Übersicht II alles Geld beinhaltet, das es zu einem bestimmten Zeitpunkt gibt,
demnach nichts von Außen zufließen oder nach Außen wegfließen kann
dann führt
· die Rückzahlung eines Kredites zu einer Verkürzung der Aktiva , die mit einer Verkürzung der Passiva einhergeht;
Kreditrückzahlung bedeutet Geldvernichtung
· die Aufnahme eines Kredites eine Verlängerung der Aktiva, die mit einer Verlängerung der Passiva einhergeht.
Kreditaufnahme bedeutet Geldschöpfung

Geldschöpfung und Geldvernichtung sind somit Vorgänge im Inneren des Systems, also endogene Vorgänge, demnach unser Geld endogenes Geld (inside-money).

Geld entsteht aus Schulden und verschwindet durch Entschulden

Damit ist das Geheimnis gelüftet, wie denn Geld entsteht und vergeht. Der Vorgang ähnelt dem Vorgang, wie wir ihn bei einem Fesselballon erleben: Dort ist es der endogene Vorgang der Luftausdehnung, der durch Zufuhr von Wärme erfolgt.

Die Frage ist somit einfach zu beantworten , vielleicht zu einfach, aber gerade deshalb so schwer zu erkennen. Sie wird auch dadurch erschwert, dass wir uns so schwer von der Vorstellung von Geld als einem Ding lösen können.

Erfolgt die Kreditrückzahlung bzw. Kreditaufnahme in Bargeld, so muss damit wieder der oben beschriebene Bargeld-Puffer in die innere Betrachtung einbezogen werden.

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Übersicht IV zeigt die MFIs ohne Bundesbank, also allein die Geschäftsbanken sowohl in ihren Außenbeziehungen als auch in ihren Innenbeziehungen. Der Kassenbestand lässt sich nur in Übersicht IV als Vermögen der Geschäftsbanken ausweisen, weil nun zur Bundesbank eine Außenbeziehung besteht.
Dieser Kassenbestand steht als Aktiva an der Stelle von an die Notenbank abgetretenen Wertpapieren. Die Bundesbank verbucht den Kassenbestand als Passiva, denen die hereingenommenen Wertpapiere als Aktiva gegenüberstehen. Werden Bundesbank und Geschäftsbanken zusammen betrachtet, also konsolidiert, dann heben sich Aktiva bei der Geschäftsbank und als Passiva bei der Bundesbank gegenseitig auf, der Kassenbestand fällt heraus. Übrig bleiben die abgetretenen Wertpapiere als Aktiva des Gesamtsystems.

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Ernst Dorfner, 2.Jänner 2006 / korr. 08.01.06 / 11.01.06

Geld als Finanzierungsmittel einer Wirtschaft mit sinkendem Wachstum


Kurzform (Langform bitte anfordern)


Ernst Dorfner

Die Marktwirtschaft ist nach allgemeinen Verständnis eine Wettbewerbswirtschaft.

Ziel des Wettbewerbs ist die betriebswirtschaftliche Senkung der Stückkosten der einzelnen Erzeugnisse. Diese Kosten sind in Geld ausgedrückt.

Die Summe aller Kosten entspricht nun aber der Summe aller Einkommen, also dem Volkseinkommen. Damit aber ist das Ergebnis der – durch den Wettbewerb bedingten - Produktivitätssteigerung zwar eine Erhöhung des materiellen Sozialproduktes, nicht aber zwangsläufig auch eine des monetären Volkseinkommens.

So ist es nicht nur möglich, sondern derzeit eher sogar Wirklichkeit, daß trotz – oder gerade wegen – der gestiegenen Produktivität alle Geldeinkommen (in der Realwirtschaft) sinken.

Bedenkt man nämlich , daß gesamtvolkswirtschaftlich - ohne Berücksichtigung einer Staatsverschuldung -

1. die im Zeitraum (t+1) für die gesamte Produktion aufgewendeten Kosten dem gesamten Volkseinkommen im Zeitraum (t+1) entsprechen,

2. mit diesem Volkseinkommen die im Zeitraum (t) erzeugten Produkte gekauft werden, die nun im Zeitraum (t+1) am Markt angeboten werden,

so heißt dies makroökonomisch, daß die im Zeitraum (t) erzeugten Produkte nur dann zu einem Preis höher als deren Kosten –d.h. gewinnbringend - verkauft werden können, wenn das Volkseinkommen zum Zeitpunkt (t+1) höher ist als zum Zeitpunkt (t). Die Wirtschaft muß also bei geringeren Stückkosten höhere Gesamtkosten haben, d.h. bei geringeren Stückkosten eine höhere Stückzahl der Produkte erzeugt wird.

Das aber heißt insbesonders, daß bei einem konstant bleibendem Produktionsvolumen ein Sinken der Stückkosten zu einem Sinken der Gesamtkosten und zu einem Sinken des Volkseinkommens führt.

Da aber mit diesem im Zeitraum (t +1) gesunkenen Volkseinkommen jene Produkte gekauft werden, die im Zeitraum davor - also (t) - mit noch höheren Kosten hergestellt wurden, bedeutet dies, daß diese nicht einmal kostendeckend verkauft werden können. Es kommt zwangsläufig zu deflationären Effekten.

Solche deflationären Effekte treten dann ein, wenn zu wenige Netto-Investitionen getätigt werden bzw. hierfür zuwenig neugeschöpfte Kredite bzw. neugeschöpftes Geld eingesetzt werden muß.

Wie aber können nun solche deflationären Effekte vermieden werden?

In den zurückliegenden Jahrzehnten wurde der deflationäre Effekt anfangs durch ein ausreichend hohes Wirtschaftswachstum nicht nur aufgehoben, sondern überkompensiert. (Formel 2) Dabei waren die getätigten Netto-Investitionen, also jene über die Ersatzinvestitionen hinausgehenden Investitionen, die durch neugeschöpfte Kredite und damit neugeschöpftes Geld finanziert wurden, die Grundlage dieses Wachstums. Damit war die monetäre Nachfrage zu jedem Zeitpunkt so ausreichend hoch, daß die Mehrheit der Unternehmungen ihre Produkte zu Preisen, die über ihren Herstellkosten lagen, verkauft werden konnten.

Nach Zurückgang der hohen Wachstumsraten mußte dann jedoch der Staat einspringen, der nicht nur nicht-investiertes, sondern auch neugeschöpftes Geld aufnahm, um ein ausreichend hohes Volkseinkommen zu schaffen.

Diese Politik des deficit spending hat nun zwangsläufig ein Ende gefunden. Die Verzinsung der akkumulierten Schulden frißt einen immer größeren Teil der Steuereinnahmen auf. Dazu kommt noch, daß mit der Anwendung der Kommunikations-Technologie große Sprünge in der Rationalisierung der Betriebe allein schon durch die Re-Investierung der Abschreibungen erzielt werden. Damit einher geht ein Wachstum des Outputs, nicht jedoch ein Wachstum des Geldeinkommens. Es ist so nicht mehr die Investitionsgüterindustrie, die die abgebauten Arbeitsplätze ersetzt und zusätzliche neue schafft – und damit auch jenes zusätzliche Einkommen, das Preise ermöglicht, die höher sind als die Kosten.

Die Konsumgüternachfrage mag zwar eine gewisse Belebung durch eine nicht ganz unbeträchtliche Alimentierung von seiten derjenigen Bevölkerungsgruppe erfahren, die Geld auf den Finanzmärkten machen. Hier wird ja noch Geldschöpfung betrieben, solange bei – im Vergleich zu den Kursgewinnen - relativ niedrigen Zinsen über den Leverage-Effekt aus Geld mehr Geld zu machen ist.

Trotz dieser Alimentation ist die Wahrscheinlichkeit schon groß, daß wir bereits von einer Phase mit Inflation in eine mit Deflation gewechselt sind. Zumindest wird von verschiedener Seite darauf verwiesen, daß die veröffentlichten Inflationsraten aus verschiedenen Gründen zu hoch erscheinen.

Wie aber nun, nachdem dieses Instrumentarium versagt?

Vor Beantwortung der Frage ist ein Exkurs notwendig, der unterschiedliche Auffassungen über die Entstehung von Geld aufzeigt.

Die Geldpolitik spricht im Verständnis der neoklassischen Theorie der Zentralbank die Aufgabe zu, das Geldangebot so zu steuern, daß eine inflationäre Geldentwertung weitgehend gezügelt und eine deflationäre Geldwertsteigerung vermieden wird. Geld wird demnach einfach in die Wirtschaft gepumpt oder von dort abgesogen.

Gleichwohl ist aber bekannt, daß die Instrumente der Zentralbank nicht ausreichen, diese Steuerung zu bewerkstelligen. Denn Geld wird nicht einfach gedruckt und dann unter die Leute gebracht. Zentralbankgeld entsteht derzeit erst und allein durch Kreditvergabe der Zentralbank, also letztlich durch Verschuldungsvorgänge seitens der Privaten und des Staates. Damit ist Geld heute von seiner Genesis her von Anfang an schon Schuldentilgungsmittel – und nicht Tauschmittel, so wie es die gängige Lehre immer noch verkündet.

Durch Entschuldung verschwindet Geld auch wieder. Geld entsteht durch Rediskontierung von Wechseln durch die Zentralbank und verschwindet wieder durch ihre Einlösung. Unternehmen, die ihre Investitionen einschränken, kürzen ihren Kreditrahmen, womit Buchgeld verschwindet.

Geld kann so nicht einfach als Tauschmittel in der optimalen Menge zur Verfügung gestellt werden. Als Bank braucht die Zentralbank einen Partner, der sich verschuldet, um Geld in Umlauf bringen zu können.

Mit zurückgehender Verschuldungsrate der Privaten und des Staates sinkt damit auch das Geldmengenwachstum – und dies stärker als das reale Wachstum.

Der deflatorische Effekt ist damit einer Geldordnung zuzuordnen, die, wie H. Ch. Binswanger betont, durch und durch merkantilistisch ist (siehe Kasten).

Mehrfach wurde schon versucht, diese Ordnung, dieses System, den klassischen Grundlagen anzupassen. Wenngleich diese Versuche bislang gescheitert sind, so stellt sich dennoch die Frage, ob dies nicht noch einmal unternommen werden sollte. Dabei ist zu bedenken, daß auch die äußeren Umstände, die realen Gegebenheiten der wirtschaftlichen Entwicklung, nun andere sind. Während nämlich das Lawsche Experiment (siehe Kasten) die Epoche des wirtschaftlichen Wachstums durch große Investitionen nicht nur einläutete, sondern dieses exzessive Wachstum überhaupt erst möglich machte, stehen wir nun am Ende dieser Epoche. So ist durchaus die Frage berechtigt, ob nicht jetzt ein System verwirklicht werden sollte, das nicht mehr auf Kreditexpansion aufbaut, wie sie durch das Banking-Schule möglich wurde, sondern eines, das auf eine Trennung von Geldschaffung und Kreditgewährung hinausläuft, wie es die Currency-Schule vorsieht.

In diesem von der ökonomischen Klassik so beschriebenen System kommt dabei Geld nicht durch Verschuldung in Umlauf. Wie aber anders, kann an Hand von Beispielen nicht gezeigt werden, da dieses System in der Praxis noch nie umgesetzt wurde – entgegen der Theorie, die so tut, also ob das so Realität wäre.

In diesem Sinn geht es um eine grundlegende Neuausrichtung unserer Geldordnung, in der sich die gestiegene Produktivität auch durch eine gestiegene Geldeinkommensmenge ausdrückt.

Deshalb Geld darf nicht mehr (allein?) durch Verschuldung entstehen [i].

Geld ist dann ein Zahlungsmittel, das deshalb allgemeine Akzeptanz erhält weil es der Staat zur Tilgung der Steuerschulden akzeptiert[ii]. Es kann jedoch gespart und verliehen werden, so daß es in weiterer Folge wieder zu Schuldverträgen kommt..

Durch Verschuldung wird Geld weitergegeben

Derzeit erfolgt die Schaffung (Schöpfung) von Zentralbankgeld in Form einer Kreditvergabe der Zentralbank an einer Geschäftsbank, die Schatzscheine oder Handelswechsel von ersterer rediskontieren läßt. Die Schaffung von Buchgeld erfolgt durch die Geschäftsbanken.

Beide Arten der Geldschaffung sind nun zu unterbinden. Einlagen der Banken sind zu 100 Prozent durch Notenbankgeld zu decken.

Ein Währungsamt, das neben (oder an Stelle?) der Zentralbank eingerichtet wird, sollte dem Staat neues, zusätzliches Geld kostenlos - also nicht in Form eines Kredites - zur Verfügung stellen, und zwar in einer Höhe, mit der ein deflationärer Effekt mit Sicherheit vermieden wird. Dabei ist diese Maßnahme im Sinn der Stabilisierung des Geldwertes zu verstehen, da ja die Senkung der Stückkosten durch Senkung des Aufwandes der dafür eingesetzten Arbeit den Wert des Produktes nicht verändert. Der Wettbewerb dürfte also nicht zu einem tödlichem Wettlauf werden, wo das Preisniveau so stark sinkt, daß allzuviele Unternehmen ihre aufgewendeten Kosten nicht mehr hereinspielen können. Das aber ist nur dann der Fall, wenn das sinkende Gesamteinkommen durch sinkenden Einsatz von menschlicher Arbeit in Industrie und Gewerbe – bei durchaus nicht sinkenden oder sogar steigenden Einzeleinkommen - durch zusätzliche Einkommen ergänzt werden, die vom Staat finanziert werden. Der Stückpreis folgt dann nicht oder sehr verzögert den sinkenden Produktionskosten, was nun vorerst zu einem entsprechenden Anstieg der Unternehmensgewinne führt.

Hier hat aber nun eine neu konzipierte Steuerpolitik einzugreifen.

Wie gesagt: Durch den Einschuß von zusätzlichem Geld durch den Staat können die Produkte der Unternehmen weiterhin mit Gewinn verkauft werden. Im Gegensatz zu heute, wo vorwiegend die Ressource ‚Arbeit‘ mit Abgaben belastet wird, sollten nun diese alimentierten Gewinn entsprechend hoch besteuert werden. Somit müßten die Unternehmen mit höherer Rationalisierung und damit den relativ höheren Gewinnen eine höhere Steuerlast tragen als die weniger rationalierten mit kleineren Gewinnen, sehr im Gegensatz zu heute, wo ja gerade die weniger rationalisierten Betriebe mit höherem Aufwand für menschliche Arbeit

die höhere Steuer- und Abgabenlast zu tragen haben. Der Wettbewerbsdruck, der sich ja heute so sehr auf die Freisetzung von menschlicher Arbeit konzentriert, würde gezielt vermindert, wobei gleichzeitig ein Teil des durch den Staat eingeschossenen Geldes wieder dorthin zurückfließt.

Damit werden in den Preisen nun aber auch jene Kosten – zumindest zum Teil - integriert, die heute externalisiert werden: Die sozialen Kosten der Arbeitslosigkeit, des Bildungssystems, der sozialen und ökologischen Standortqualität, usw.. Wobei jene mehr dafür bezahlen, die auch die höheren Kosten verursachen: Die höher rationalisierten Betriebe, die im eigenen Betrieb mit relativ weniger menschlicher Arbeit auskommen, dort also mehr Arbeitslosigkeit ‚erzeugen‘, dafür aber auf mehr menschliche Arbeit außerhalb des eigenen Betriebes in Form von Ausbildung, Forschung, .. zurückgreifen, für die kein Marktpreis veranschlagt werden muß.

Dabei geht bei es bei diesem staatlichen Geldeinschuß nicht um ‚Gelddruckerei‘. Wenn der Staat etwa in Höhe des Produktivitätsfortschrittes zusätzliches Geldeinkommen einschießt, so nimmt er diesen Fortschritt nur dafür in Anspruch, gesellschaftlich notwendige Dienstleistungen zur Verfügung zu stellen. In der Tat soll uns der Fortschritt nicht mehr Geld, sondern mehr Lebensqualität bringen. Was im Wettbewerb durchaus frei werden sollte, ist menschliche Arbeit, die aber weiterhin an diesem Fortschritt teilhat und – falls notwendig - auch anderweitig einsetzbar ist.[iii] Darin drückt sich der eigentliche Produktivitätsfortschritt aus: Nicht in einem Niederkonkurrieren der Preise, sondern in der Schaffung von ‚Frei-Zeit‘.

Im übrigen bei Einhebung der immer wieder andiskutierten Tobin-Steuer, die aus spekulativ hochgetriebenen Börsenkursen finanziert wird, viel eher von der Bereitstellung von ungedecktem Geld, also von ‚Gelddruckerei‘ zu reden. Hinter diesem so in die Realwirtschaft eingeschleusten Geld steht zwar irgendwo ein Verschuldungsvorgang, jedoch keine reale Investition und damit auch keine realwirtschaftliche Deckung – oder eben auch nur eine in Höhe des Produktivitätsfortschrittes. Und so wie diese Einnahmen aus dem Finanzmarkt könnte der Staat dieses eingeschossene Geld für die Finanzierung der Beschäftigung etwa in auf soziale Dienstleistungen ausgerichtete Non-profit Organisation verwendet werden, oder zur Finanzierung anderer öffentlicher Leistungen, etwa der Bildung, der Kultur usw., womit ja auch ein Teil des Sozialproduktes bereitgestellt wird.

Darüberhinaus ist in innerbetrieblicher Partnerschaft eine Teilung des verbleibenden Gewinnes durchaus vorstellbar. Aus diesen - unverteilten oder verteilten - Gewinnen heraus können auch weiterhin Netto-Investitionen getätigt werden.

Um nochmals auf die Höhe des jährlichen Geldeinschusses zurückzukommen: Er sollte nicht nur ein deflatorischer Effekt vermeiden, sondern sogar ein geringer inflatorischer Effekt bewirken. Mit zurückgehenden Netto-Investitionen wird ja derzeit das Nachfrage-Plus immer kleiner - und damit auch gesamtvolkswirtschaftlich der Überhang der Einnahmen über die Ausgaben (Gewinn).

Selbstverständlich stellt sich hier die Frage, ob nicht an Stelle dieser leichten, dosierten Inflation die von GESELL vorgeschlagene Umlaufsicherung treten könnte. Bei der Entscheidung darüber ist nun aber zu bedenken, daß es hier nicht nur um die Vermeidung von Geldhortung geht, sondern auch um die Einsicht, daß Kreditverträge auch dann als erfüllt anzusehen sind, wenn die Rückzahlungen nicht zur Gänze erfolgen, sondern mit einem Abschlag, also einer Negativverzinsung. Das mag insofern schwieriger zu akzeptieren sein, weil im Falle der dosierten Inflation zumindest anfänglich die Geldillusion zu Hilfe kommt. Es bieten sich aber auch andere Vorstellungen, die darauf aufbauen, daß das Sparbuch immer mehr zum Exoten für längerfristiges Sparen wird.

* * *

Neben dem Währungsamt bleiben als weitere monetäre Institution die Geschäftsbanken. Ihnen wird jedoch die Möglichkeit der Kreditschöpfung dadurch genommen, daß alle Sichteinlagen zu 100 Prozent durch Notenbankgeld gedeckt sein müssen. Ihre Aufgabe wird aber sein, einen Investitionsfonds aus nicht verbrauchten Einkommen zu sammeln, um daraus Kredite an Investoren zu vergeben. Die Sammlung kann neben den herkömmlichen Spareinlagen durch Emission von Publikumspapieren seitens der Geschäftsbanken erfolgen. Bei letzteren können dann durchaus auch positive Erträge aus Veranlagung lukriert werden. Es wird sich also auch hier ein Finanzmarkt herausbilden, der gegebenenfalls zu kontrollieren ist.

Wie schon mit Fragezeichen angedeutet, ist zu überlegen, ob nicht die Zentralbank als monetäre Institution bis auf weiteres erhalten bleiben muß, jedoch mit eingeschränktem Recht der Wechseldiskontierung. Dieses Recht müßte von der Idee der Unterstützung von Investitionen in die Realwirtschaft und einer Verhinderung oder zumindest Einbremsung der Investitionen in die Finanzwirtschaft her bestimmt sein.



Endnoten


i] Dieser Ansatz geht auf Silvio Gesell zurück, der bereits 1911 schreibt: „Der zweite Widerspruch liegt darin, daß der Staat das Geld bei der Ausgabe selber nicht als Tauschmittel benutzte, es also nicht gegen Waren, sondern gegen Wechsel, Pfandbriefe oder sonstige Sicherheiten hergab. Und das Geld ist doch Tauschmittel, und als solches durfte es nur gegen Waren ausgegeben werden.“ (Gesell GW Bd. 6, S. 143ff)

Und weiter dort: Mit der Geldreform wird der Reichsbank natürlich das Notenprivileg entzogen werden, und an die Stelle der Reichsbank tritt das Reichswährungsamt. Das Reichswährungsamt betreibt keine Bankgeschäfte. Es diskontiert keine Wechsel,.... Es tritt in keinerlei Beziehung zu Privatpersonen. Das Reichsgeldamt gibt Geld aus, wenn solches im Lande fehlt und es zieht Geld ein, wenn im Lande sich ein Überschuß zeigt. Das ist alles.“ ( S. 161ff)

[ii] Damit ist u. a. auch der Erfolg des Wörgler Experimentes 1932/33 begründet.

[iii] Dies erfolgt übrigens auch im herkömmlichen System in ähnlicher Weise dadurch, daß mit den für die Netto-Investitionen neugeschöpften Kredite zusätzliche Arbeitsplätze in der Investitionsgüterindustrie geschaffen werden. Mit den damit geschaffenen zusätzlichen Einkommen wird auch auf die Konsumgüter zugegriffen, so daß dort die Preise höher sein können wie die Kosten.

Fetisch contra Mantra


Elmar Altvater mit Werner Onken und Margrit Kennedy
im Widerspruch


1.

„Ein Teil der Attac-Mitglieder mag nicht wahrhaben, dass Globalisierungskritik Gefahr läuft, nicht nur in Nationalismus, sondern auch in Antisemitismus abzugleiten. Wenn über ‚das Finanzkapital’ oder ‚die Wall Street’ geraunt wird, ruft dies das alte Vorurteil vom geldgierigen Juden wach. Etliche Globalisierungskritiker erliegen der Versuchung, für unübersichtliche Entwicklungen Sündenböcke verantwortlich zu machen. Die komplexen Zusammenhänge der Globalisierung reduzieren sie auf ein Komplott dunkler Mächte...Doch wer an Verschwörungen glaubt, denkt auch die Verschwörer implizit mit, Und das nächstliegende Stereotyp dafür sind ‚die Juden’“ [i]

So Toralf Staud in „Die Zeit“ (Nr 44/2003) Ein harter Vorwurf. Auch ein ungerechtfertiger Vorwurf ? Elmar Altvater jedenfalls hält ihn für ungerechtfertigt. Doch begründet er das nicht. Er sieht jedoch einige Trittbrettfahrer in der Anti-Globalsierungsbewegung, die gegen den Vorwurf des Antisemitismus nicht gefeit sind. Dazu zählt er auch und vor allem die Anhänger von Silvio Gesell, die Gesellianer.

2.

Bleiben wir aber zuerst doch bei der Kernschicht der Anti-Globalisierer, bleiben wir bei Altvater selbst. Im Impulsreferat zum ATTAC-D-Ratschlag in Aachen am 17.10.2003, veröffentlich im "FREITAG" Nr. 44) heißt es:

„Zurück nach Europa. Auch im Eurogebiet ist die Primärbilanz aller Staatseinnahmen und -ausgaben strukturell positiv, im vergangenen Jahr mit 1,8 Prozent. In Deutschland werden ebenfalls leichte Überschüsse erzielt. Wie kommt es dann zur Jammerdebatte um den Bruch des Maastrichter Stabilitätspaktes? Erst wenn man den Schuldendienst mitberechnet, der im Sekundärbudget eingestellt wird, kommen die Defizite der öffentlichen Haushalte zustande, die nun ein großes Geschrei um die "Verletzung des Maastrichter Stabilitätspaktes" auslösen. Es müsse gespart, der Gürtel enger geschnallt werden. Nach Adam Riese wären ja bei positivem Wachstum und einem primären Überschuss des Staatshaushalts leichte Zuwächse für alle möglich. Doch die Logik der Gespensterwelt lautet in aller Schlichtheit: Wenn der Staatshaushalt insgesamt defizitär ist, dann rührt bitte sehr das dafür verantwortliche defizitäre Sekundärbudget nicht an, Zinszahlungen an die Halter von Staatsanleihen sind tabu. Nicht aber die Sozialausgaben und die Einnahmen aus Steuern und Abgaben auf Löhne und Gehälter. Schneidet dort und reduziert hier, um den Überschuss im Primärbudget zu steigern.

Die Zinszahlungen im Sekundärbudget gelten als sakrosankt. Das Kapital ist bekanntlich ein scheues Reh – und das bei realen Zinssätzen, die seit Jahren überall in der Welt oberhalb der realen gesamtwirtschaftlichen Wachstumsrate liegen. Selbst derzeit sinkende Nominalzinsen sind noch zu hoch, weil gesamtwirtschaftliches Wachstum und die Inflationsrate in einer Lage, in der der IWF bereits deflationäre Gefahren erblickt, gegen null gehen. Alle reden von der "Gerechtigkeitslücke", die Haushaltssanierer aller Länder machen sie, auch die Bundesregierung.

Mit der Agenda 2010, mit Kürzungen bei Arbeitslosengeld und Krankenversicherung, mit einer Verschlechterung des Kündigungsschutzes und durch Lohnabbau im Niedriglohnbereich, durch Einschnitte bei Renten und Pensionen, mit Angriffen auf den öffentlichen Dienst und damit auf die Versorgung der Bevölkerung wird ein mächtiger Schlag zu Gunsten derjenigen geführt, die über Geld und Kapital verfügen.“ (Altvater 03, S. 3ff[ii])

Dies ist wohl richtig, aber dennoch auch zu jener Personifizierung geeignet, vor dem „Die Zeit“ warnt. Die Sündenböcke sind ausgemacht: Es sind die, die über Geld und Kapital verfügen. Die Finanzkapitalisten, die Bezieher von Kapitalerträgen und Zinseinkünften. Eben die ...

So heißt es bei Altvater denn auch weiter:

„Was hierzulande Hartz-, Rürup-, Herzog-Kommission oder die Agenda 2010, das sind in anderen Weltregionen die Strukturanpassungsprogramme von IWF und Weltbank. Nicht alle Bevölkerungsgruppen sind in gleichem Maße zur "Gestaltung der Erneuerung", wie die Sozialdemokratie ihr Projekt 2010 bezeichnet, aufgerufen. Die Generosität denjenigen gegenüber, die Kapitalerträge und Zinseinkünfte beziehen, ist ebenso einseitig wie die Austerität, die denen abverlangt wird, die auf Arbeitseinkommen angewiesen sind oder keine Arbeit haben bzw. aus dem Arbeitsleben ausgeschieden sind. Das ist ein "Konsens von Washington", den dessen Urheber gern auf alle Welt ausdehnen würden. Der Grüne Bütikofer ist dabei, Verzicht und Sparen, so meint er, finden zu Gunsten des Gemeinwesens statt. Diejenigen werden mit keiner Silbe erwähnt, die sich aus der Solidargemeinschaft, reichlich mit rot-grünen Steuergeschenken belohnt, haben verabschieden dürfen.“ (Altvater 03, S. 4)

Der „Konsens von Washington“ – ein Komplott dunkler Mächte?: Welche Personen haben sich da auf was geeinigt? Verschwörerisch geeinigt?? Denn:

„Geld regiert die Welt, und zwar in einem Ausmaß, das sich der Urheber des Wortes, Pubilius Syrus aus dem ersten Jahrhundert vor unserer Zeitrechnung, niemals hätte vorstellen können. Geld ist eine soziale Beziehung zwischen denen, die es haben, und denjenigen, die es benötigen, zwischen Geldvermögensbesitzern und Kapitaleigentümern einerseits und Schuldnern andererseits. Die letzteren haben Schuldendienst zu leisten, der zum Zuwachs der Geldvermögen und des Kapitals beiträgt. Dass so die Ungleichheit in der Welt zunimmt, ist wenig verwunderlich. Das Millenniumsziel der Armutsreduktion wird auf der Strecke bleiben. In ihrem jüngsten Report über die Ungleichheit in Lateinamerika und der Karibik muss die Weltbank eingestehen, dass in vielen Ländern die Reichen reicher und die Armen wohl ärmer geworden sind; die 10 Prozent reichsten Haushalte verfügen über 48 Prozent der Einkommen, die zehn Prozent ärmsten über gerade einmal 1,6 Prozent (Weltbank 2003). “(Altvater 03, S. 4)

Dem möchte man eigentlich zustimmen. Das jedoch ist das Gefährliche daran. Denn die Wortwahl projeziert unterschwellig ein verfälschtes Bild, das zu einem Pauschalurteil verführt: Die „bösen“ Geldvermögensbesitzer und Kapitaleigentümer als die Reichen, denen die „guten“ Armen als Schuldner gegenüberstehen.

Zwar ist es richtig, dass die Geldvermögensbesitzer und Kapitaleigentümer die gutsituierten bis höchstvermögenden Gläubiger sind, aber die Armen sind nicht die Schuldner. Allerdings sind die Armen die von den Schulden des Staates Betroffenen. Hier und anderswo. Weil dieser einen Gutteil seiner Einkünfte an die Bezieher von Zinseinkünften zahlen muss. Nicht nur in den Entwicklungsländern, sonder auch in Deutschland. Hier sind es 70 Mrd. Euro jährlich, die statt ins Sozial – und Bildungsbudget zun den Reichen fließen.

Wer aber sind dann die Schuldner? Machen wir eine Blick in die Statistik:

LEGENDE:

GV......... Geldvermögen

GS.......... Geldschulden

NGV.... Netto-Geldvermögen

NGS....... Netto-Geldschulden

PH ......... Private Haushalte

NFKG.... Nichtfinanzielle Kapitalgesellschaften

St ............ Staat

MFI........ .Monetäre Finanzinstitutionen

SFV........ Sonstige Finanzinstitutionen plus Versicherungen



PH

NFKG

St


MFI

SFV


1

2

3

4 = (1+2+3)

5

6

GV

4.259,9

2.057,2

440,4

6.757,5

6.086,8

2.565,8

GS

1.569,3

3.633,8

1.591,8

6.794,9

5.897,9

2.500,3

NGV

2.690,6




188,8

65,5

NGS


1.576,6

1.151,4





Tab. 1: Geldvermögen und Geldschulden für Ende 2005 in Mrd. Euro,

Quelle: zusammengefasst aus Bundesbank, Monatsbericht Juni 2006, S.32ff Tabelle

Ehe wir uns der „inneren“ Betrachtung dieser Statistik zuwenden, richten wir zum Vergleich den Blick nach „Außen“ auf die Schulden der Entwicklungsländer: Diese betragen insgesamt nach Angaben der Weltbank rd.2.500 Mrd. USD oder rd. 2000 Mrd. Euro [iii], also rund zwei Drittel der Bruttoverschuldung der deutschen Unternehmen.

Nun aber zur „Innenbetrachtung“: Wir sehen: Die Geldvermögen sammeln sich bei den privaten Haushalten, während die größten Schuldner die Nichtfinanziellen Kapitalgesellschaften sind, also die Unternehmen. Die größten Netto-Schuldner wiederum sind die Unternehmen, gefolgt vom Staat. Sie sind Schuldner gegenüber den privaten Haushalten, aber als Einzelne auch Schuldner gegenüber anderen Unternehmen, etwa in Form offener Rechnungen, die beim Gegenüber als Geldvermögen zu Buche schlagen.

Aber auch die privaten Haushalte haben hohe Schulden. Das aber sind gerade nicht die Armen, sondern die Reichen und der Mittelstand. Die Armen können nämlich – abgesehen von nichtbezahlten Rechnungen und Teilzahlungen in der Lebensführung und damit einer in Relation gesehen untergeordneten Größe keine Schulden haben, weil sie ja mangels Vermögen gar keine Kredite aufnehmen können.

Zu den Haushalten zugerechnet werden aber auch alle Einzelunternehmer wie Freiberufler, Künstler, Kleingewerbetreibende, usw, also alle Unternehmen, die keine Kapitalgesellschaften sind. So verbirgt sich auch hier hinter der Statistik ein sehr differenziertes Bild.

Am ehesten als homogenes Gebilde kann der Staat betrachtet werden, wiewohl es auch hier zwischen den einzelnen Gebietskörperschaften Gläubiger/Schuldner-Verhältnisse gibt, wie auch aus der Position „Geldvermögen des Staates“ abgeleitet werden kann.

3.

Um es nochmals zu sagen: Natürlich wirken sich die Schulden des Staates ganz deutlich auf die Lebensumstände der Armen aus. Das soll auch mit der Tabelle nicht bestritten werden. Sie sollte aber deutlich machen, dass die Zusammenhänge vielschichtiger sind als mit ideologisch verkürzten Aussagen dargestellt wird, die jenes Unterfutter darstellen, auf denen Verschwörungstheorien auf beiden Seiten wuchern können. Die dann dazu führen können, dass die „Tat“ irgendwann zum „Täter“ mutiert.

„Eric Hobsbawm hatte Recht, als er das "kurze 20. Jahrhundert" als ein Jahrhundert des Wachstums bezeichnete und das 21. Jahrhundert als Jahrhundert der Verteilung voraussah. Er hatte damit freilich nicht eine so schamlose Umverteilung von unten nach oben gemeint, wie sie derzeit überall in der Welt erzwungen wird. Diejenigen, die sich dagegen zur Wehr setzen, stehen plötzlich als Anwälte der Verkrustung, als Feinde der Flexibilität und Modernität, als Reformbremser, als konservative Besitzstandswahrer da. Wenn sie sich zur Wehr setzen, laufen sie Gefahr, von den konservativen Rechtsaußen als "Terroristen" eingestuft zu werden.“ (Altvater 03, S.4ff)

Es ist schon richtig, wenn vermerkt wird, dass die Reichen immer reicher werden. Worin aber besteht ihr Reichtum, der da verteilt werden soll? Schauen wir uns doch Tab. 1 nochmals an: Das Geldvermögen der privaten Haushalte besteht zum Teil auch in den Schulden privater Haushalte. Wohlgemerkt: Schulden. Also in längerfristig zu erfüllenden Ansprüchen an andere Haushalte, die aber gerade das Geld nicht oder noch nicht haben. Denn sonst würden sie ja ihre zinsbelasteten Schulden tilgen. Verkürzt: Der Reichtum der einen besteht in noch nicht erfüllbaren Verpflichtungen von anderen.

Des weiteren kann man sagen: Dem Netto-Vermögen der Haushalte entsprechen auf der anderen Seite die Netto-Schulden der Unternehmen und des Staates zusammen. Oder wiederum verkürzt: Das Vermögen besteht in den Schulden der anderen, also in Forderungen. „Geld ist eine soziale Beziehung ....“ schreibt Altvater weiter oben. Dem ist zuszutimmen. Wenn es aber dann weiter heißt: „ .... zwischen denen, die es haben, und denjenigen, die es benötigen, zwischen Geldvermögensbesitzern und Kapitaleigentümern einerseits und Schuldnern andererseits“, dann ist das ein Bruch, ein Rückfall in der so richtig eingeleiteten Beschreibung von Geld: Die soziale Beziehung, die immer nur zwischen zwei (oder mehr) Menschen bestehen kann, wird rasch wieder in ein Ding verwandelt, das einer allein haben kann. Geld ist eine soziale Beziehung zwischen Schuldnern und Gläubigern, aber keine soziale Beziehung zwischen denen, die es haben, und jenen, die es benötigen.

Der Reichtum besteht in längerfristig zu erfüllenden Forderungen in Geld an andere, nicht aber in etwas, das den einen genommen und den anderen gegeben werden kann. Diese zeitlich gebundenen Forderungen können aber soweit „zu Geld gemacht“ – also in sofort fällige Forderungen verwandelt -- werden, soweit sich hierfür Käufer am Vermögensmarkt finden. Das aber heißt auch, dass es Geldvermögen nur so lange gibt, wie es Vermögende gibt, die es wegen eines Vorteils an sich bringen wollen. Geldvermögen ist also nichts Absolutes, sondern nur ein Relatives, eben eine Beziehung.

Da also die Geldvermögen nur umgeschichtet, nicht aber in Summe zu Geld gemacht werden können, stellt sich die Frage, welche Folgen auf dem Vermögensmarkt eine - so wie sie angedacht ist -- bessere Verteilung der Vermögen der Vermögenshaushalte auf alle Haushalte hätte. Weil ja der zu erzielende Preis vom Verhalten der Verkäufer einerseits und der Käufer andererseits abhängt.

Statt dies aufzuklären, beschwört Altvater immer wieder Stereotype:

„Von einigen werden die Kürzungen bei Gesundheitsleistungen und Pensionen genutzt, um die Alten für die Belastung der Jungen verantwortlich zu machen und nach "Generationengerechtigkeit" zu rufen. Diese Art Gerechtigkeit wird gesponsert von Versicherungskonzernen und Pensionsfonds, die sich bei der Privatisierung von Alters- und Gesundheitssicherung ein schönes Geschäft versprechen. Doch Gerechtigkeit zwischen Generationen mit einer Versicherungspolice kaufen zu wollen, ist ein törichtes Unterfangen“. (Altvater 03, S. 5)

Das ist schon richtig, was hier Altvater sagt. Unser Alterssicherungs- und Gesundheitssystem leidet schwer unter der Belastung des Staatshaushaltes mit den Zinsen für die Schulden des Staates. Dennoch wird hier wieder vereinseitigt argumentiert, eine Verschwörung von Konzerenen und Fonds gezeichnet, die ja dann auch die Züge bestimmter Menschen annehmen. Mit der Dingfestmachung von Dunklen Mächten wird dann davon abgelenkt, dass es so etwas wie einen Generationenvertrag immer geben wird müssen. Denn immer muss die aktive Generation für die Nachkommenden und die Alten mit ihrer Arbeit sorgen.

„Perverserweise kommen dabei hohe und steigende private Geldvermögen zustande und ihre Besitzer suchen nach rentabler Kapitalanlage. Die Verschuldung des öffentlichen Sektors ist dabei von denen hoch willkommen, die sonst nach Einsparungen rufen. Die Zinsen auf die Staatsschuld, die im sakrosankten Sekundärbudget verbucht werden, kommen den privaten Anlegern zu Gute. Kürzungen im Primärbudget, also im Sozialhaushalt, sind unvermeidlich und werden von ihnen begrüßt. Das ist ein Perpetuum mobile der Umverteilung von unten nach oben, und zwar in globalem Maßstab. Man wird diesen verrückten Mechanismus anhalten müssen, um überhaupt an die tatsächlich notwendigen Reformen der sozialen Sicherungssysteme, an die Schaffung einer sozialen Demokratie im 21. Jahrhundert heran gehen zu können.“ (Altvater 03, S. 11)

Wiederum wird deutlich, wie wenig Altvater seine eigene Meinung verinnerlicht hat, dass Geld eine soziale Beziehung ist. Private Geldvermögen können ja gar nicht entstehen, wenn nicht gleichzeitig und uno actu auch Geldschuldner entstehen. Auch er verfällt immer wieder in das alte Vorstellungsschema eines Gelddings, das für sich allein vorhanden ist, das der eine haben kann, oder ein anderer, und das von einem zum anderen verschoben werden kann.

Was also hat Altvater den Gesellianern vorzuwerfen?

In einer Schußbemerkung schreibt er.

„Es spricht einiges dafür, dass der Antisemitismus, auch wenn er nicht explizit geäußert wurde, strukturell immer vorhanden war. Es ist also nicht allein der Waren- und Geldfetisch, der dazu veranlasst, dass soziale Beziehungen ein Gesicht bekommen und dieses Gesicht zum Feindbild des Antisemiten werden kann. Dies kann nur dann ausgeschlossen werden, wenn das Geld und die globalen Finanzmärkte nicht als verselbständigte Gestalten, sondern immer mit ihren sozialen Beziehungen im Rahmen einer Kritik der Politischen Ökonomie analysiert werden, also in einem Rahmen, den Silvio Gesell ganz explizit ablehnt. An der Marx’schen Geldtheorie nämlich bemängelt er, dass „die Aufmerksamkeit des Proletariats vollkommen vom Geld abgelenkt und die Börsenräuber, Wucherspieler, Spitzbuben unmittelbar in den Schutz der besitzlosen Klasse, des Proletariats gestellt“ worden sind (Gesell 1920: 325). Die Übel des Geldes sind personifiziert. Dies hat Konsequenzen für die „ökonomische Alphabetisierung“ (Bourdieu). Zinsen kann man nicht abschaffen, ohne die kapitalistische Gesellschaftsformation zu überwinden. Aber man kann sie regulieren, durch geeignete wirtschaftspolitische Maßnahmen auf nationaler wie globaler Ebene. Dafür müssen Konzepte ausgearbeitet werden, um die fatale Hilflosigkeit gegenüber vorgeblichen Sachzwängen der Globalisierung zu überwinden und vor allem jede Sündenbockannahme zu unterbinden. Nur so ist die Immunisierung gegenüber den Gefährdungen eines strukturellen Antisemitismus möglich.“ (Altvater 04, S.34 ff[iv])

An diesen Aussagen ist etliches, oder vieles sogar, bedenkenswert. Geld und die globalen Finanzmärkte sollten nicht „als verselbständigte Gestalten, sondern immer mit ihren sozialen Beziehungen“ (oder: als „soziale Beziehungen“) analysiert werden. Aber wie sehr hält sich Altvater selbst an diese Einsicht? Eben auch nicht, um es nochmals zu sagen. Er redet zwar von „sozialer Beziehung“, doch bleibt das eine leere Hülle, ein Wortmonstranz, mit dem gut geredet werden kann, ohne etwas zu sagen.

„Doch nur auf das Geld und seine Zinseszinsdynamik zu schauen und die Verknüpfung mit dem kapitalistischen Produktionsprozess aus dem theoretischen Horizont zu entfernen, ist Liebedienerei am Geldfetisch, auch wenn diese gar nicht beabsichtigt sein sollte. Das Geldrätsel existiert für diese Geldheiler nicht, weil statt Fragen nur Antworten da sind, oder das rational auflösbare Rätsel als Mysterium irrational verklärt wird.“ (Altvater 04, S. 12)

Klärt das auf, woran es der Gesell’sche Theorie wirklich mangelt? Warum der Vorwurf , wenn selbst mit der Wortblase „Geldfetisch“ argumentiert wird, anstatt über bilanzmäßige Zusammenhänge und Gegebenheiten wirklich aufzuklären. Dient das dazu, Sachzusammenhänge aufzuklären, anstatt Personifizierung zu provozieren?

„Was wird nach der schweren Krise der neoliberalen Globalisierung folgen? Wohl kaum das Ende des Kapitalismus, wohl aber Konzepte der Regulierung globaler Kreisläufe zusammen mit der Gestaltung lokaler, solidarischer Ökonomie. Die Ökonomie muss wieder in die Gesellschaft zurück geholt werden, das Soziale muss gegen die Gier der Ökonomie verteidigt werden. Wenn dies in diesem Lande im parlamentarischen Raum nicht mehr möglich ist, weil Rotgrün in entscheidenden Politikfeldern nichts wesentlich anderes praktiziert als Schwarzgelb, dann müssen Frieden in der Welt und sozialer Ausgleich in diesem Land und anderswo außerparlamentarisch von sozialen Bewegungen verteidigt werden, so wie sie hier präsent sind.“ (Altvater 03, S. 10)

Immer wieder vieles, dem man zustimmen möchte. Doch gleich zögert man. Wieder wird mit einem Fetisch gewachelt: „Die Gier der Ökonomie“. Ein Mysterium? Müssen das nicht die leibhaftig Gierigen sein, die nur mehr um des Raffens willen raffen? Die eh schon dingfest gemacht wurden, die Ackermanns und Ezard Reuters und Ron Sommers und .....??

Mit pointierter Verkürzung der Realitäten in Wortmonstranzen wird Schwarz-Weißmalerei betrieben, die unterschwellig personifiziert, werden hie die Guten, dort die Bösen dingfest macht : Das alte Rezept, wie man entsprechende Akklamation erzielt.

Was mit differnzierter Analyse wohl viel schwerer bis unmöglich ist.

4.

Hier nochmals die Frage, was denn Altvater den Gesellianer wirklich vorzuwerfen hat? Halten wir uns doch noch einmal an seine eigenen Worte:

.“Die Zinszahlungen im Sekundärbudget gelten als sakrosankt. Das Kapital ist bekanntlich ein scheues Reh – und das bei realen Zinssätzen, die seit Jahren überall in der Welt oberhalb der realen gesamtwirtschaftlichen Wachstumsrate liegen. Selbst derzeit sinkende Nominalzinsen sind noch zu hoch, weil gesamtwirtschaftliches Wachstum und die Inflationsrate in einer Lage, in der der IWF bereits deflationäre Gefahren erblickt, gegen null gehen. Alle reden von der "Gerechtigkeitslücke", die Haushaltssanierer aller Länder machen sie, auch die Bundesregierung.

Mit der Agenda 2010, mit Kürzungen bei Arbeitslosengeld und Krankenversicherung, mit einer Verschlechterung des Kündigungsschutzes und durch Lohnabbau im Niedriglohnbereich, durch Einschnitte bei Renten und Pensionen, mit Angriffen auf den öffentlichen Dienst und damit auf die Versorgung der Bevölkerung wird ein mächtiger Schlag zu Gunsten derjenigen geführt, die über Geld und Kapital verfügen.

Geld regiert die Welt, und zwar in einem Ausmaß, das sich der Urheber des Wortes, Pubilius Syrus aus dem ersten Jahrhundert vor unserer Zeitrechnung, niemals hätte vorstellen können. Geld ist eine soziale Beziehung zwischen denen, die es haben, und denjenigen, die es benötigen, zwischen Geldvermögensbesitzern und Kapitaleigentümern einerseits und Schuldnern andererseits. Die letzteren haben Schuldendienst zu leisten, der zum Zuwachs der Geldvermögen und des Kapitals beiträgt. Dass so die Ungleichheit in der Welt zunimmt, ist wenig verwunderlich. Das Millenniumsziel der Armutsreduktion wird auf der Strecke bleiben. In ihrem jüngsten Report über die Ungleichheit in Lateinamerika und der Karibik muss die Weltbank eingestehen, dass in vielen Ländern die Reichen reicher und die Armen wohl ärmer geworden sind; die 10 Prozent reichsten Haushalte verfügen über 48 Prozent der Einkommen, die zehn Prozent ärmsten über gerade einmal 1,6 Prozent (Weltbank 2003).“ (Altvater 03, S. 3ff)

Das könnte nun fast auch ein Gesellianer geschrieben haben. „Geld ist eine soziale Beziehung zwischen denen, die es haben, und denjenigen, die es benötigen“: Da lese ich Dieter Suhr heraus. Nur von „sozialer Beziehung“ hat dieser nichts gesagt.

Deshalb soll das Interesse hier nun darauf gelenkt werden, was denn Onken in seiner Replik[v] auf Altvater zu sagen hat.

In seinem Papier geht es im wesentlichen nur um die Bemühung, die persönliche Integrität der von Altvater angeshwärzten, meist schon lange verstorbenen Gesellianer, wieder herzustellen. In der Sache selbst widerspricht er aber Altvater eher nicht.

„In einem anderen Kritikpunkt möchte ich Elmar Altvater jedoch entgegenkommen und ihm zustimmen, dass Gesell und seine Anhängerschaft oftmals den „gesellschaftlichen Kontext“ vernachlässigt und eine “Geldtheorie ohne Gesellschaftstheorie” betrieben haben. Ansatzweise wurde der Produktionsprozess im 5. Kapitel seines Hauptwerks und an anderen Stellen durchaus mitbedacht; aber es wurde versäumt, die Geldkritik auch systematisch zu einer Theorie der Wettbewerbsbeschränkungen und zu einer Konzentrations- und Monopoltheorie auszubauen.“(Onken, S.13)

Das ist nun aber wirklich wenig. Die Vorstellung von Geld als soziale Beziehung kommt hier und auch anderswo in Onkens Text nicht vor. Warum aber? Hält Onken das für falsch? Oder so irrelevant, dass er dem nicht einmal in einem Satz widerspricht? Als Leerformel?

Onken hätte zumindest deutlich sagen müssen, dass die orthodoxen Gesellianer in Geld ein Ding sehen – und eben keine soziale Beziehung. Hat er das nun deshalb nichts gesagt hat, weil das für ihn so eine Selbstverständlichkeit ist, dass ihm gar nicht in den Sinn kommt, es könnte anders sein? Das, was Altvater sagt, nur marxistisches Wortgeplänkel sein kann?

Onken hat auch dann nichts zu sagen, wenn Altvater über das Wörgler Experiment u.a. so urteilt:

Viertens bestätigt das Experiment von Wörgl, dass Schwundgeld zu einer Beschleunigung der Geldzirkulation beiträgt: Jeder möchte es so schnell wie möglich loswerden, um die monatliche Geldentwertung von 1% zu vermeiden. Die Vergrößerung der Umlaufsgeschwindigkeit des Geldes wirkt so, als ob die Geldmenge ausgedehnt worden wäre. Dies kann durchaus inflatorische Tendenzen bestärken oder auslösen. In einer schweren Krise wie 1932 kann dies ja erwünscht sein, doch waren die umlaufenden Beträge im Vergleich zur offiziellen Geldzirkulation so gering, dass die Wirkung verpuffen musste.

Damit sind wir beim entscheidenden Defizit des Frei- oder Schwundgeldes, nämlich bei der Nichtberücksichtigung der Reproduktionszusammenhänge, deren synthetischer Ausdruck das Geld ist. Am Geld herum zu experimentieren, ohne die sozialen und ökonomischen Reproduktionsbedingungen prinzipiell anzutasten, ist der Versuch, Symptome zu kurieren.“( Altvater 04, S. 23ff)

Geht es nur um die Erhöhung der Umlaufgeschwindigkeit – oder geht es um die Erhöhung der Umlaufgeschwindigkeit im Reproduktionszusammenhang? Müssen nicht auch die Waren schneller nachrücken, wenn das Geld schneller umläuft? Oder sind die sowieso immer wieder zur rechten Zeit da? Ist es richtig, dass die Gesellianer diese Zusammenhänge überhaupt nicht berücksichtigen? Wobei es nicht allein darum geht, „die Geldkritik auch systematisch zu einer Theorie der Wettbewerbsbeschränkungen und zu einer Konzentrations- und Monopoltheorie auszubauen“, wie Onken meint. Zu fragen ist ja doch zuerst, in welcher Gesellschaft die Produktionszusammmehänge grundsätzlich wie ausschauen, ehe man über bestimmte detaillierte Ausformungen spricht.

Jedenfalls kann Altvater weiterhin unwidersprochen solange Kritik üben, wenn von den Gesellianern mehr vorausgesetzt als konkret gesagt wird, was Geld denn ist, aber nicht, wo es herkommt, wie es im und in welchem sozialen Zusammenhang, in welcher wie ausgeformten Gesellschaft es entsteht.

Das ist natürlich statthaft, wenn man von den Grenzen weiß. Doch sind diese den vielen umherschwirrenden Gesellianern keineswegs immer bewusst. Sie wollen ein nicht-kapitalistisches Geld, ohne den Kapitalismus theoretisch und praktisch in Frage zu stellen, so als ob das Geld ohne Gemeinwesen existieren würde und ein Gemeinwesen ohne formspezifisches Geld auskommen könne. Der Überschuss wird nicht als Mehrwert und damit das Kapital als soziale Beziehung in Frage gestellt, sondern nur der Zins und dieser vor allem wegen der Zinseszinsdynamik, durch die der Überschuss irgendwann einmal ausschließlich auf die Konten der Geldvermögensbesitzer umgelenkt wird und für produktive Kapitalisten, aber auch für die Lohnabhängigen weniger und manchmal nichts bleibt (so bei Suhr 1983a; 1983b). Entscheidend ist dabei, dass der Zusammenhang zwischen der sozialen Formation der Überschussproduktion und den historischen Regulationsweisen und Regimen einerseits und der Dynamik des Zinses andererseits aufgelöst wird.“ (Altvater 04, S. 24)

Onken muss dies nicht akzeptieren. Dann allerdings darf er auch nicht schweigen, sondern eine eigene begründete Meinung dagegen stellen. Es ist ja bezeichnend, wenn in folgender Aussage so gar nichts auffällt:

„Geld ist eine Forderung, die erfüllt werden muss, und zwar durch reale Produktion von Waren, die einen Mehrwert enthalten, der bei der Verwandlung in Geld als Profit realisiert wird. Erst wenn dies geschehen ist, kann die Forderung monetär erfüllt werden.“ (Altvater 04, S. 32)

Onken könnte hier Altvater im seinem marxistischen Revier stellen, wenn er ihn frägt, wie diese Realisierung des Mehrwertes in Geld denn möglich ist. Die Frage, die Karl Marx stellt,

„ ... ist nicht: Wo kommt der Mehrwert her? Sondern: Wo kommt das Geld her, um den Mehrwert zu versilbern? [...] Das in Form von Geldkapital vorgeschoßne zirkulierende Kapital von 500 Pfd. St. [...] sei das zirkulierende Gesamtkapital der Gesellschaft. Der Mehrwert sei 100 Pfd St. Wie kann nun die die ganze Kapitalistenklasse beständig 600 Pfd. St. aus der Zirkulation herausziehn, wenn sie beständig nur 500 Pfd. St. hineinwirft?“ (Kapital II, S. 330ff)

Allerdings hat Onken selbst auch keine Antwort auf die inhaltsgleiche Frage, die Gesell nur etwas anders formuliert:

”Die Ware wird mit Geld gekauft und, mit Urzins belastet, an den Konsumenten gegen Geld wieder verkauft. Hiernach müßte der Konsument regelmäßig mehr Geld ausgeben als er als Produzent einnimmt.” (S. Gesell, NWO, S. 338)

Doch so wie Gesell darauf keine stimmige Antwort hat, fehlt sie auch bei Marx: Beide können nur das erklären, was Marx die „Einfache Reproduktion“ nennt, nicht aber die Akkumulation von Geldvermögen.

Gesell:„Dieses Mehr, aus dem Urzins bestehend, verschafft sich der Produzent dadurch, daß er mehr Waren produziert und verkauft, als er kauft. Das Mehr, das so die Produzenten erzeugen, wird von den Geldbesitzern für persönlichen Bedarf gekauft, und zwar gerade mit dem Geld, das sie als Zins erheben.“(NWO, S.338)

Marx: „In der Tat, so paradox es auf den ersten Blick scheint, die Kapitalistenklasse selbst wirft das Geld in Zirkulation, das zur Realisierung des in den Waren steckenden Mehrwertes dient. Aber nota bene: sie wirft es hinein nicht als vorgeschoßnes Geld, also nicht als Kapital. Sie verausgabt es als Kaufmittel für ihre individuellen Konsumtion.“ (Kapital II, S. 335ff)

Letztendlich können sich also Altvater und Gesellianer gegenseitig vorwerfen, den Geldfetisch nicht enttarnt zu haben. Altvater aber schreit dann noch laut: „Haltet den Dieb“ – und zeigt dabei auf die Gesellianer.

5.

Was aber sagen die anderen heutigen Vertreter Gesellschen Gedankengutes, für die ja Onken nicht spricht? Was sagt Margrit Kennedy dazu, wenn sie von Altvater als „Geldheilerin“ apostrophiert wird?

Dabei scheint alles doch so einfach zu sein. Jedenfalls meinen dies Geldheiler, die die Fähigkeit des Geldes, per Zinseszins geometrisch wachsende Zuwächse an sich ziehen zu können, mit ihrem gesunden Menschenverstand als Verrücktheit und als Ungerechtigkeit kritisieren und Heilung versprechen. Zins und Zinseszins sollen abgeschafft, die Ungerechtigkeit des Geldes beseitigt werden. Das ist modern eingekleidet die Fortsetzung der aristotelischen Tradition seit mehr als 2300 Jahren. Eine „natürliche Wirtschaftsordnung durch Freiland und Freigeld“ nennt Silvio Gesell sein Hauptwerk. „Geld ohne Zinsen und Inflation“ verspricht eine Geldheilerin, Margrit Kennedy. „Geld ohne Mehrwert“ schlägt Dieter Suhr vor. Bernard A. Lietaer bezeichnet das vom wuchernden Zinseszins geheilte Geld als „Geld der Zukunft“. (Altvater 04, S.12)

Soweit bekannt, widerspricht sie dem nicht. Als Heilerin hervorgehoben zu werden, ist ja bei vielen Menschen keine negatives Attribut. Im Gegenteil. Genießen Menschen einmal das Ansehen von Gurus, wird ja vieles wesentlich einfacher. Sie müssem ihre Aussagen selbst nicht mehr auf rationale Stimmigkeit überprüfen. Und sie brauchen sich auch vor einer Überprüfung von anderen nicht mehr fürchten. Ihre Aussage wird als wahr „angenommen“ und dann von vielen so lange wiederholt, bis sie zur Mantra wird.

Eine dieser Mantras ist die Geschichte vom Anteil der Zinsen in den Preisen. So verkündet Kennedy einmal mehr bei einer Veranstaltung:

„Das zweite Missverständnis ist, dass wir Zinsen nur dann zahlen, wenn wir Geld leihen. Dem ist freilich nicht so, denn in jedem Preis, den wir entrichten, ist ein Zinsanteil enthalten. Nämlich derjenige Zinsanteil, den die Produzenten der gekauften Güter und Dienstleistungen der Bank zahlen müssen, um Maschinen und Geräte anzuschaffen. Bei den
+ Müllgebühren zum Beispiel liegt dieser Zinsanteil bei etwas 12 Prozent, beim
+ Trinkwasserpreis bei 38 Prozent und bei der
+ Miete im sozialen Wohnungsbau erreicht der Zinsanteil sogar 77 Prozent.

Im Durchschnitt zahlen wir vierzig Prozent Zinsen oder Kapitalkosten in allen Preisen und Dienstleistungen, die wir zum täglichen Leben benötigen (CREUTZ,

1993/2004).

Würde der Zins durch eine andere Umlaufsicherung ersetzt, könnten die meisten von uns ihre Einkünfte fast verdoppeln oder entsprechend weniger arbeiten, um denselben Lebensstandard zu haben.“

Und an anderer Stelle dann weiter:

Der Zins ist demnach ein falscher Preismechanismus im „Kräftespiel“ der Marktwirtschaft: Die „Mit-Spieler“ (Wirtschaftsakteure) werden durch Zinskosten bestraft; die „Spielverderber“, die ihr Geld in der Kasse halten können, werden durch Zinseinnahmen belohnt.

Der Zins ermöglicht auf diese Weise im Gegensatz zum viel zitierten Anspruch auf Leistung in einer „Leistungsgesellschaft“ ein leistungsloses Einkommen.“ [vi]

Hier bedarf es nun keiner tiefschürfenden theoretischen Überlegungen, sondern nur funktionaler Lesefähigkeit, um den Widerspruch aufzudecken: Wenn ohne Zinsabzug alle ihre Einkünfte „fast verdoppeln“ könnten, dann heißt das ja umgekehrt, dass heute nur mit dem halben Gesamteinkommen Nachfrage nach all dem gehalten werden kann, das mit Gesamtkosten gleich dem Gesamteinkommen vor Abzug der Zinseinkünfte hergestellt wird. Da diese Zinseinkünfte nun aber nicht nachfragewirksam werden, weil „in Kasse gehalten“ , um eben den Zins zu erpressen, können nur die Hälfte aller Güter verkauft werden [vii] Oder aber alle Güter; diese jedoch mit Preisen, die in etwa nur den halben Kosten entsprechen.

Wie auch immer: Wenn auf diese Art die gesamten Kosten plus einen Mehrertrag für die zahlenden Zinsen bei den Unternehmen hereinkommen sollen, dann müsste auch gelten:

100 – 50 = 110

Das aber ist nicht einmal mit dem Hexeneinmaleins[viii] nachvollziehbar:

„Du musst versteh’n, aus Eins mach Zehn,

die Zwei lass geh’n,

die Drei mach gleich.

So bist du reich..

......

Genau diese banalen Irrtümer herauszustellen, das tut Altvater nicht. Ist es ihm zu einfach gestrickt? Wachelt[ix] er lieber mit einem Fetisch, statt allein mit Grundschulwissen eine Mantra zu entzaubern? Natürlich ist dieser Fetisch geheimnisvoller, läßt sich so viel unterschwellig damit transportieren (das dann notfalls anderen umgehängt wird), was beim eigenen Publikum so viel besser ankommt als die um so viel komplexere Einsicht in die Wirklichkeit.

Auf beiden Seiten zählt offensichtlich die Bewunderung der Anhänger mehr als das Bemühen, Einsichten zu gewinnen, die uns alle als Opfern als auch als Täter projezieren, die jedoch unabdingbare Grundlage für Veränderungen sind.

Fetisch contra Mantra. Ad infinitum!

Dezember 2004




Endnoten

[i] In Altvater 04, siehe Fn. 3

[ii] Elmar Altvater, Die Gläubiger entmachten, in FREITAG 44, 17.10.2003

[iii] 2. The external debt of developing countries comprises several types of debts

As of December 31, 2000, the total debt of developing was estimated by the World Bank (2001 Global Development Finance) to be $2,527 billion, out of which 2,061 billion of medium-and-long-term debt, broken down as follows:


2000

Long term debt outstanding

2 061,1

100%

Public-and-publicy-guaranteed

1 526,9

74%

Official-creditors

857,9

Multilateral

345,5

Bilateral

512,3

Private-creditors

669,1

Private non-guaranteed

534,2

26%


[iv] Elmar Altvater, Eine andere Welt mit welchem Geld? , Reader von attac, zu finden ebenso wie die Replik darauf von Werner Onken unter http://userpage.du.berlin.de/~roehrigw/onken/attac2004/dreseden-onken

[v] Siehe Fn 2

[vi] Protokoll des Open Space Symposiums in St. Pölten 28. bis 31. Mai 2004

[vii] Kennedy sagt ja selbst mit dem Satzteil „entsprechend weniger arbeiten, um denselben Lebensstandard zu haben.“, dass unter den gegebenen Umständen nur etwa die Hälfte des Erzeugten konsumiert werden kann. Was aber geschieht mit dem, das liegen bleibt? Irgendwie erahnt man die Verstopfung, den Darmverschluß der ganzen Wirtschaft, die damit einhergehen müsste. Daraus folgt dann jene Aussage, die da sagt: Wenn die Zinsen verkonsumiert würden, dann würde sich diese Verstopfung wieder lösen.

[viii] J. W. Goethe, Faust

[ix] Österreichisch: Mit etwas winken, das man schnell bei der Hand hat, ein Taschentuch, irgend ein Fetzen